Die Frauen Union Hessen (FU) fordert angesichts der aktuellen Diskussion, Kinder wirksamer vor Gewalt und Missbrauch zu schützen sowie Täter härter und konsequent zu bestrafen. „Wir brauchen einen Dreiklang für den Kinderschutz: Täter härter bestrafen, Ermittlungsmöglichkeiten für die Polizei verbessern und Prävention für Kinder ausweiten“, sagt Diana Stolz, Landesvorsitzende der FU Hessen.

Seit dem Missbrauchsskandal im nordrhein-westfälischen Lügde hat das Problem des sexuellen Kindesmissbrauchs wieder erhöhte Aufmerksamkeit erlangt. Der Bund hatte Anfang des Jahres die Behörden mit erweiterten Befugnissen zur Ermittlung im Bereich der Kinderpornographie ausgestattet, was nun zu weiteren Ermittlungserfolgen geführt hat. In Münster werden ein 27-jähriger Täter, seine Mutter und fünf weitere Männer beschuldigt, insgesamt drei Jungen zwischen fünf und zwölf Jahren brutal sexuell misshandelt zu haben. Die Taten wurden zusätzlich gefilmt und über das Internet bzw. Darknet verbreitet.

Dazu sagt Eva Kühne-Hörmann, hessische Justizministerin und Mitglied im Bundesvorstand der FU: „Die schrecklichen Taten aus Münster offenbaren erneut, dass die Politik bei diesem Themenfeld in der Bringschuld ist. Bereits seit 2014 fordere ich Strafschärfungen und andere Maßnahmen in diesem Bereich. Leider jedoch werden und wurden diese Initiativen nur allzu häufig von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und ihrer Vorgängerin Katarina Barley ausgebremst.“

Schon lange fordert die CDU eine Einstufung von Kindesmissbrauch als Verbrechen. Endlich hat Bundesjustizministerin Lambrecht nun nach langem Zögern eingelenkt. „Es ist schlimm genug, dass man die Ministerin regelrecht drängen musste. Jetzt muss sie aber auch so schnell wie möglich einen Gesetzesentwurf vorlegen – es reicht nicht, die Dinge nur anzukündigen, sondern es muss gehandelt werden“, betont Stolz. Es erschließe sich nicht, dass zurzeit der einfache Ladendiebstahl härter bestraft wird als der Besitz von Missbrauchsbildern.

„Die seelischen Verletzungen, die den Kindern von Tätern beigebracht werden, haben ein unvorstellbares Ausmaß“, führt die Frankfurter Bundestagsabgeordnete Bettina M. Wiesmann aus, Mitglied der Kinderkommission des Bundestages und ehem. Stellvertretende Landesvorsitzende der FU Hessen. „Sexueller Missbrauch hinterlässt massives Leid, mit mörderischen Folgen für die Seele, die oft über ein Leben oder Jahrzehnte nachwirken. Dass die Taten auch noch gefilmt und verbreitet worden sind, kommt ihrer unendlichen Wiederholung gleich; man wird sie im wahrsten Sinne nie wieder los.“, so Wiesmann, die bereits 2010 als Landtagsabgeordnete mit dem Thema befasst war. „Es ist deshalb an der Zeit, eine Empfehlung der Enquête-Kommission ‚Kein Kind zurücklassen‘ von 2018 umzusetzen: die Einrichtung eines Landesbeauftragten für die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern – zur Wahrnehmung dieser mehrere Ressorts und Kompetenzebenen übergreifenden Aufgabe. Damit würden die jahrelangen wichtigen Bemühungen der hessischen Landesregierung mehr Durchschlagskraft und höhere Sichtbarkeit erhalten, und dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung stände ein starker Partner auf Landesebene gegenüber.“

Die hessische CDU hat dieses Thema auch schon länger auf dem Schirm. Ines Claus, Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion im hessischen Landtag sagt dazu: „Für uns gilt seit jeher der Grundsatz: Opferschutz vor Täterschutz. Wir haben bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode einen Fokus auf die Opferhilfe gelegt und tun dies auch weiterhin.“ Opferhilfevereine leisten eine vorbildliche Arbeit und wurden zu einem flächendeckenden Netz ausgebaut sowie finanziell gestärkt. „Diese Beratungsangebote wollen wir weiter ausbauen und auch im Strafverfahren einen noch besseren Zeugen- und Opferschutz erreichen. Wir tolerieren keine Gewalt gegen Kinder. Das hat die CDU Hessen in den Koalitionsvertrag mit den Grünen eingebracht, und wir sorgen auch dafür, dass dies umgesetzt wird“, so Claus entschlossen.

Doch fordert die FU Hessen nicht nur eine härtere Bestrafung, sondern auch weitere juristische Regelungen, die nötig sind, um Missbrauch zu entdecken und vorzubeugen. Ermittler und Experten brauchen zur Strafverfolgung dringend die Verbindungsdaten der Täter. Aufgrund eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster ist die verpflichtende Speicherung von Verbindungsdaten, auch Vorratsdatenspeicherung genannt, aktuell de facto jedoch ausgesetzt. Dies hatte zur Folge, dass z.B. im Jahr 2017 rund 8.400 Fälle von Kinderpornographie nicht weiterverfolgt werden konnten.
Dies ist einfach ein unerträglicher Zustand. Es kann doch nicht sein, dass Ermittlungserfolge davon abhängig sind, welcher Telekommunikationsanbieter Verbindungsdaten überhaupt und wenn ja, wie lange speichert“, erklärt Claudia Ravensburg, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion. Datenschutz, der ohnehin bereits durch strenge Verfahrensregeln gewahrt werde, dürfe nicht über dem Kinderschutz stehen.

Gleichzeitig müsse allen Beteiligten aber auch klar sein, dass Kinderschutz noch früher beginne. Selbstverständlich muss es Schutzkonzepte gegen sexuellen Kindesmissbrauch in allen Kindertagesstätten, Schulen sowie in der Kinder- und Jugendhilfe und regelmäßige Überprüfung der dort arbeitenden Bezugspersonen geben. Auch Familien müssen stärker als bisher begleitet und unterstützt werden. „Vernachlässigung ist auch eine Form der Kindesmisshandlung – wir müssen Problemlagen in Familien daher früh erkennen und vorbeugen, zum Beispiel mit Maßnahmen wie den ‚Frühen Hilfen‘. Denkbar wäre auch eine Stelle ‚Kinderschutzkoordinator/in‘ an allen Jugendämtern, um den Kinderschutz überall in Hessen zu verbessern. In der Prävention ist das Geld gut angelegt, wenn wir dadurch Kindern Leid ersparen können“, sagt Landesvorsitzende Stolz.

Darüber hinaus müssen Kinder schon bei Verdacht auf Misshandlung geschützt werden und eine rechtssichere Dokumentation als Grundlage für weitere Entscheidungen, z.B. vor Gericht, vorhanden sein. Dies soll nach Meinung der Frauen Union durch den dringend nötigen weiteren Ausbau von Kinderschutzambulanzen geschehen. „Zum Standard gehört ein forensisch geschultes Pflegepersonal zur Sicherung der Beweise sowie die Zusammenarbeit aller Fachdisziplinen einschließlich Chirurgie, Gynäkologie und Radiologie, " plädiert Dr. Cornelia Lietz, Ärztin, Mitglied im Landesvorstand der Frauen Union und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit der FU Hessen.

Kernforderung der FU Hessen ist daher eine weitreichende Initiative für mehr Kinderschutz auf Bundes- und Landesebene in den Bereichen Strafen, Ermittlungsmöglichkeiten und Prävention. „Der Schutz von Kindern muss durch die Politik schnellstmöglich verbessert werden. Kinderschutz muss für uns alle höchste Priorität haben. Kinderschutz ist ebenso eine unverzichtbare Aufgabe der Gesellschaft, die uns alle angeht. Daher bitte ich Sie: Augen auf! Nicht weggucken! Ob in Schule, Kindertagesstätte, Nachbarschaft oder Familie“, appelliert Stolz abschließend.